Genuss auf Schiene

NEUPOSITIONIERUNG DER FEISTRITZTALBAHN

Leerstände – ob Gebäude oder industrielle und landwirtschaftliche Nutzflächen – sind ein weites Problemfeld in ländlichen Regionen. Ein Beispiel dafür sind die ungenützten Bahnhofsareale der Feistritztalbahn zwischen Weiz und Birkfeld. Im Projekt GENUSS AUF SCHIENE wurde nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für die Bahn gesucht und eine ungewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit geschaffen: das Waggonhotel Anger ist für den Ort und den alten Bahnhof Anger ein attraktiver, belebender Anziehungspunkt.

Hintergründe: Die Feistritztalbahn ist kein Radweg
Die Räder rattern, der Kessel dampft, die Lok pfeift und draußen zieht das Ost­steirische Hügelland vorbei. Das ist der Charme der historischen Feistritztalbahn, die immer wieder bewegte Zeiten durchlebte und überstand. Für die Region ist sie besonders wichtig: als touristischer Magnet und als Errungenschaft, denn die Feistritztalbahn ist interessanterweise die einzige Strecke Österreichs, die ohne staatliche Zuschüsse gebaut wurde. Das war vor mehr als 100 Jahren. Nun stellte sich die Frage, ob die Region die Verantwortung für die Zukunft dieser schönen Strecke in ihrer Funktion als Eisenbahn wieder übernehmen sollte.

Absichten: Bummelzug nicht nur neu gestrichen
Das Bummelzug-Image der Feistritztalbahn wurde in den frühen 1970er Jahren geboren, da ihr Bestand zu dieser Zeit durch die Einstellung von Personen- und Güterverkehr bedroht war. Die schnell erfundene Tourismus-Funktion war so etwas wie eine neue Perspektive und außerdem eine feine Sache, da sich ein Verein aus ehrenamtlichen Eisenbahn-Enthusiasten für die Strecke verantwortlich fühlte. Das ist nun auch schon wieder 40 Jahre her und der Bummelzug verlangte nach einer neuerlichen Kurskorrektur, denn Brezen, Bier und Gesang waren für gute Erinnerungswerte nicht mehr ausreichend.

Was daraus wurde: Der einzige Schmalspur-Schlafwagen Europas
Im Jahr 2011 feierte die Feistritztalbahn ihren 100. Geburtstag. Statt Kuchen und Kerzen bekam sie eine touristische Neupositionierung. Dazu wurden ein alter Waggon in eine Bar und ein weiterer alter Waggon in ein einzigartiges Hotelzimmer umgewandelt. Das freut nicht nur NostalgikerInnen und ZugfreundInnen, sondern auch alle IndividualistInnen.

Einige Waggons sowie die alte dampfende Dame namens Krauss Kh 101, Jahrgang 1926 aus Linz, wurden runderneuert. Gemeinden, Organisationen und Genussregionen konnten die Waggons adoptieren. Die Feistritztalbahn wurde also wieder auf Schiene gebracht – und zwar mit Genuss. Bummeln kann man nach wie vor ausgezeichnet, denn so eine Fahrt mit der Feistritztalbahn entschleunigt auf eigene Art und auf der Strecke von Weiz nach Birkfeld gibt es Neuigkeiten zu entdecken, die es sonst nirgendwo gibt, und zwar nicht nur für Bahn-Freaks, sondern für alle Interessierten, ob jung oder alt.

Alle Waggons sind auf der 24 Kilometer langen Strecke im Einsatz, nur nicht das Waggonhotel, das bleibt am Bahnhof in Anger stehen. Dort kann man jetzt eine ungewöhnliche Zeitreise unternehmen, schon allein, wenn man ein Hotelzimmer bucht. Und zwar nicht irgendeines, sondern das Waggonhotel, das sich in einem Wagen der berühmten Salzkammergut Lokalbahn, Baujahr 1891, befindet. Der Wagen fährt zwar schon lange nicht mehr auf der lieben, kleinen Eisenbahn zwischen Salzburg und Bad Ischl, aber er hat dafür sehr viel zu erzählen. Denn er war schon Personen-, Dienst- und Gepäckwagen auch auf der Feistritztalbahn und jetzt ist er eben das Waggonhotel in Anger. Eine Überraschung der besonderen Art.

Siehe www.waggonhotel.at